Leseproben

Die Aurum-Chroniken

Das Nasenproblem

Der Puppenmacher lieferte das Modell persönlich ab. Langsam nahm sein Kutscher eine Kurve und folgte dem Weg zu dem im Süden Londons gelegenen Herrenhaus. Leichter Nieselregen hatte das Kopfsteinpflaster zum Glänzen gebracht. Gaslaternen illuminierten in vernünftigem Abstand Straße und Trottoir. Eine letzte Biegung und das Gefährt erreichte eine Auffahrt, die direkt zum hell erleuchteten Haus führte. Die Pferde liefen kurz im Schritttempo, um dann an den weihnachtlich geschmückten Säulen des Portals zum Stehen zu kommen.

Das bestellte Geschenk lag hinten auf einem schmalen Anhänger und muckte nicht auf. Die Puppe war in smaragdgrünen Stoff gehüllt, wie ein Bonbon und mit gelben Schleifen drapiert. Leblos harrte Sopacia Dos Thresas Lypheriale die 198te weder der Dinge, die da kommen mochten, noch tat sie das Gegenteil. Sie war zu diesem Zeitpunkt nicht Herrin über ihren Körper und Geist. Sie hatte kein Bewusstsein für das, was sie war – eine intelligente Maschine.

Tschüsschen, Berta

Dickens

Als ich die Wohnung verließ, liefen mir Tränen die Wangen herunter. In meinem Kopf hämmerte es wie zuvor, mir war immer noch übel. Meine Katze war verschwunden und ich wünschte, ich wäre in Kalifornien. In Carmel, am Strand, einen fetten Joint in der einen und eine Flasche Rotwein in der anderen Hand. Joachim, der im Sand sitzt und mit seinen schräggestellten grauen Augen lächelnd zu mir hochschaut, um mich dann zu sich hinunter in den Sand zu ziehen und mir »Wir schaffen das« ins Ohr flüstert.

Damals war alles gut.

Ich war eine Weile gelaufen, bevor es mir bewusst wurde: Abgesehen von mir gab es kein Lebewesen auf der Straße und es war nicht vormittags, wie ich angenommen hatte. Die Sonne senkte sich bereits. Es war früher Abend, ein warmer Herbstabend, und keine Menschenseele war da. Nur ich, ich und meine Angst, die mir mittlerweile die Kehle einschnürte. Ich träumte, ich war überzeugt davon zu träumen, das alles hier war irreal. Es konnte nicht sein und wenn, dann nur in einem billigen Horrorstreifen.

 

TSCHÜSSCHEN, BERTA

Kreislaufprobleme

Ich versuchte, meine Augen zu öffnen, keine Chance. Sie waren so schwer. Wenn ich es mit Mühe kurz schaffte, sah ich nur schemenhafte, übergroße Schatten und grelles Licht. Die nächsten Tage, oder waren es Wochen – was waren Wochen, was Tage – ich hatte es vergessen –, blieb alles so, wie es war. Ich fühlte mich geschunden und überanstrengt, aber langsam, ganz langsam dennoch erholt. Also schlief ich, ließ mich füttern, säubern und schlafen legen. Dann, eines Tages, als sich der Schatten mit der freundlichen Stimme, die mir inzwischen sehr vertraut war, über mich beugte, strampelte ich, dieses Mal vor Freude.

»Na, mein kleiner Prinz?«, fragte die so sanfte, warme Stimme. »Hast du aber lange geschlafen. Komm her zu mir«, flüsterte sie, während sie mich bis vor ihr Gesicht anhob, um sachte meine Wange zu küssen. »Du musst inzwischen großen Hunger haben.«

Äquinoktium

Schlechte Ernte

»Pamfil? Bist du das?«

»Ja, ich bin es«, murmelte er, in die Richtung, aus der die Stimme und das Pferdegetrappel auszumachen waren. Pamfil konnte kaum etwas erkennen. Noch immer äußerst gereizt wegen der Unterbrechung, lief er um den Wagen herum und seinem Schwiegervater entgegen. Wenigstens würde er ihm helfen können, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Gheorghe zügelte sein Pferd kurz vor Pamfil, schaute verwundert auf ihn herab und verzog angewidert das Gesicht.

„Du stinkst nach Kotze!“, fuhr Gheorge ihn angewidert an.

»Die Drecksau hat mich angespuckt, als ich nach ihr sehen wollte!«

»Warum schläft sie nicht?«Die Stimme seines Schwiegervaters klang argwöhnisch.

»Nicht genug gesoffen«, antwortete Pamfil lakonisch.